Online Guide

Online Guide

Aufbau des Online Guide

Teil 1

Siegelinformationen im
Online-Handel

Hier zeigen wir wie Zertifizierungsinformationen von Siegelorganisationen technisch in den Online-Handel integriert werden können, um Online-Händlern und Vergleichsportalen verlässliche Informationen über nachhaltig ausgezeichnete Artikel zu liefern.

Teil 2

Nachhaltigkeitsinformationen integrieren und sichtbar machen

Wie können Nachhaltigkeitsinformationen in den Online-Handel integriert werden? Wir haben eine Online-Befragung durchgeführt, zeigen einen KI-basierten Lösungsansatz und sprechen Empfehlungen für politische Entscheidungsträger aus.

Teil 3

Nachhaltigkeitsinformationen kommunizieren

In welcher Form sollten Nachhaltigkeitsinformationen im Online-Handel kommuniziert werden? Wie transportiert man die Bedeutung von klaren Bewertungen und Empfehlungen für nachhaltige Konsumentscheidungen? Zudem finden sie hier eine tabellarische Übersicht zu Nachhaltigkeits-kommunikation.

Teil 1:

Technische Integration von Siegelinformationen im Online-Handel

Derzeit ist es für Online-Händler und Vergleichsportale schwierig, verlässliche Informationen zu bekommen, welche Artikel mit welchen Nachhaltigkeitssiegeln ausgezeichnet sind. Daher fokussiert dieses Kapitel darauf, wie Zertifizierungsinformationen von Siegelorganisationen – Organisationen, die Siegel vergeben – technisch in den Online-Handel von Textilprodukten integriert werden können. Hierfür muss einerseits die Verfügbarkeit von Siegelinformationen technisch erleichtert werden, andererseits muss dafür gesorgt werden, dass Zertifizierungsinformationen einzelnen Artikeln eindeutig zugeordnet werden können.

Wichtigste Ergebnisse:

  • Derzeit werden Zertifizierungsinformationen im Textilsektor von Online-Händlern und Vergleichsportalen aus unterschiedlichen Quellen extrahiert und zum großen Teil händisch in das Online-Informationsangebot integriert. Dies führt derzeit zu einer geringen Sichtbarkeit von verlässlichen Siegeln im Online-Handel, zu Fehlern bei der Abbildung der Zertifizierung und zu einem erhöhten Aufwand für Online-Händler und Vergleichsportale.
  • Um die Verfügbarkeit von Zertizierungsinformationen zu verbessern, wurde im Rahmen des ZuSiNa-Projekts der Prototyp einer Datenschnittstelle entwickelt. Diese Datenschnittstelle wurde auf GitHub veröffentlicht. Sie kann von Siegelorganisationen implementiert werden. Wenn dies geschehen ist, können Online-Händler und Vergleichsportale über die Datenschnittstelle die den Siegelorganisationen vorliegenden Zertifizierungsinformationen abrufen und automatisch in ihr Informationsangebot integrieren.
  • Voraussetzung für einen sinnvollen Einsatz der Datenschnittstelle ist, dass die zertifizierten Artikel eindeutig identifizierbar sind. Im Online-Handel hat sich die GTIN für die Identifikation von Artikeln etabliert. Einige Siegelorganisationen erfassen daher bereits die GTIN der zertifizierten Artikel. Andere tun dies bisher aufgrund des hohen Aufwands noch nicht.
  • Da derzeit zertifizierte Artikel häufig noch nicht eindeutig identifizierbar sind, sind „Nachhaltigkeits-Daten-Aggregatoren“ eine sinnvolle Brückenlösung für eine verlässliche Übermittlung von Zertifizierungsinformationen. Bei diesem Lösungsweg bietet ein externes Unternehmen die verlässliche, artikelgenaue Erfassung von Siegelinformationen und weiterer Nachhaltigkeitsinformationen als eigenständige Dienstleistung an.
  • Perspektivisch verspricht die von der Standardisierungsorganisation GS1 geplante Fortentwicklung der GTIN für den Textilsektor eine einfache und elegante Lösung für die Integration von Siegelinformationen in den Online-Handel. Hiernach soll das für den Textilsektor einschlägige Fashion Data Model erweitert werden um eine Siegelliste bzw. ein „Seal Overview“. Ziel ist es, dass Hersteller anhand von Codelisten Siegelinformationen in die GTIN eintragen können.

Handlungsempfehlungen

Die prototypisch entwickelte Datenschnittstelle kann die Verfügbarkeit von Zertifizierungsinformationen für Online-Shops und Vergleichsportale verbessern, wenn sie von Siegelorganisationen implementiert wird. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgangsbedingungen der beteiligten Siegelorganisationen sowie der erforderlichen internen Entscheidungsprozesse und IT-Umstellungen innerhalb der Siegelorganisationen zeichnet sich ab, dass eine Implementierung der im Projekt entwickelten Schnittstelle innerhalb der Projektlaufzeit von ZuSiNa noch nicht möglich sein wird (Stand Januar 2024). Insbesondere ist es für eine sinnvolle Implementierung der Datenschnittstelle erforderlich, dass Siegelorganisationen die GTIN der zertifizierten Produkte in ihrem Datenbestand speichern und für Online-Shops und Vergleichsportale zugänglich machen.

  • Im Rahmen der Fortentwicklung der GTIN für den Textilsektor sollte ein Weg geschaffen werden, dass mit der Eintragung von Zertizierungsinformationen in den Datenbestand des Fashion Data Modells gleichzeitig die GTIN der zertifizierten Artikel an die Siegelorganisationen übermittelt und dort gespeichert wird.
  • Die hierfür bei den Siegelorganisationen erforderlichen technischen Anpassungen sollten öffentlich gefördert werden, damit verlässliche Siegel im Online-Handel verstärkt sichtbar sind.

  • Bei der Entwicklung des Digitalen Produktpasses sollte darauf geachtet werden, dass etablierte und bewährte Zertifzierungssysteme hinreichend abgebildet werden.

Teil 2:

Mehr glaubwürdige Nachhaltigkeitsinformationen im Online-Handel integrieren und sichtbar machen

Das Kapitel erörtert die Herausforderungen und Lösungen im Zusammenhang mit der Integration von glaubwürdigen Nachhaltigkeitsinformationen in den Online-Handel. Es beleuchtet die Komplexität von Nachhaltigkeitsbewertungen bei Bekleidungsprodukten, zeigt den Bedarf an klaren, vertrauenswürdigen Informationen für Verbraucher:innen und stellt einen KI-basierten Lösungsansatz vor. Im ersten Teil des Kapitels wird auf Basis einer repräsentativen Umfrage dargestellt, welche Nachhaltigkeitsinformationen aus Sicht von Verbraucher:innen kaufrelevant sind und was die optimale Informationstiefe für diese Informationen ist. Im zweiten Teil des Kapitels wird der Prototyp eines KI-Tools vorgestellt, mit dem Nachhaltigkeitsinformationen aus verschiedenen Quellen extrahiert und kategorisiert werden können. Abschließend werden Empfehlungen für politische Entscheidungsträger zur Förderung der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit in der Branche abgeleitet.

Wichtigste Ergebnisse:

  • Zur Kennzeichnung nachhaltiger Textilien sind Siegel aufgrund der hinter ihnen liegenden Zertifizierungsprozesse durch unabhängige Dritte von hohem Wert, jedoch zeigen Studien immer wieder, dass Siegel für Verbraucher:innen nicht die optimale Kommunikationsform sind. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie Online-Händler an weitere relevante und glaubwürdige Nachhaltigkeitsinformationen über ihre Produkte gelangen und diese effizient in ihrem Webauftritt einbinden können. Dabei gibt es zwei maßgebliche Herausforderungen: Die Verfügbarkeit und die Glaubwürdigkeit der Nachhaltigkeitsinformationen.
  • Auf Basis einer repräsentativen Befragung zeigt das Kapitel, welche Nachhaltigkeitsinformationen sich Verbraucher:innen wünschen und wie viel sie über Nachhaltigkeitsthemen wissen wollen. Hier zeigt sich, dass vor allem soziale Faktoren wie Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit sowie bestimmte Umweltaspekte wie die Langlebigkeit eines Produktes bei Kaufentscheidungen wichtig sind. Zudem bevorzugen Verbraucher:innen Informationen im mittleren Längenbereich (2-4 Sätze).
  • Im Rahmen des Projektes wurde prototypisch ein KI-Tool zur Extraktion und Kategorisierung von Nachhaltigkeitsinformationen aus glaubwürdigen Textquellen entwickelt. Um diese Glaubwürdigkeit zu gewährleisten, wurden nur ausgewählte Quellen als Datenbasis für das Training des KI-Tools ausgewählt: Zum einen Berichte von fünf anerkannten NGOs aus dem Textilsektor und zum anderen über 3000 Abstracts und über 1200 Volltexte von wissenschaftlichen (peer-review) Veröffentlichungen.
  • Funktion des KI-Tools ist es, aus diesen Quellen relevante Daten für verschiedene Marken und Nachhaltigkeitsthemen zu extrahieren. Dazu wurden Methoden der natürlichen Sprachverarbeitung (NLP) genutzt. Das im Projekt entwickelte KI-Tool ordnet Textpassagen vordefinierten Nachhaltigkeitskategorien zu und ermöglicht es, nach Marken oder anderen Schlagworten in den Texten zu suchen.
  • In der Betrachtung des Tools und für dessen Weiterentwicklung gibt es drei Herausforderungen: (1) die Verfügbarkeit von Daten, (2) die Glaubwürdigkeit der verfügbaren Daten und (3) die automatisierte Aufbereitung der Informationen, da es bisher noch nicht möglich ist, die gewählten Texte als Quelle für das automatisierte Ausfüllen von vorgefertigten Vorlagen zu nutzen. Dazu wären deutlich mehr Trainingsdaten nötig.

Handlungsempfehlungen

Die Verantwortung für nachhaltigen Konsum darf nicht nur auf Kund:innen abgewälzt werden, da ihr Hebel für Veränderungen zu gering ist. Die Handlungsempfehlungen aus diesem Kapitel zielen daher vor allem auf politische Entscheidungsträger:innen. Diese Handlungsempfehlungen umfassen drei Punkte: (1) Regulierung und Normung, (2) soziale Nachhaltigkeit einbeziehen, und (3) Verbesserung der Datenverfügbarkeit:

  • Um die Nachhaltigkeit der Branche voranzutreiben, brauchen Unternehmen im Textilsektor branchenweite, einheitliche Lösungen mit Blick auf Nachhaltigkeitsanforderungen, damit eine Vergleichbarkeit zwischen Produkten und Anbietern hergestellt werden kann. Diese Lösungen müssen maßgeblich von der Politik herbeigeführt und unterstützt werden.
  • Verbesserung der Datenverfügbarkeit: Es sollten Anstrengungen unternommen werden, um branchenweite, globale Strukturen zu schaffen, die es ermöglichen mehr vertrauenswürdige nachhaltigkeitsbezogene Daten (über Zertifizierungen durch Dritte hinaus) in der Bekleidungsbranche zu sammeln und transparent zu kommunizieren.
  • Soziale Nachhaltigkeitsthemen sind für Verbraucher:innen von hoher Bedeutung, daher sollten sie auch in politischen Initiativen wie dem „Digital Product Passport“ und den „Green Claims Richtlinien“ stärker mitgedacht werden. Andernfalls droht ein vermehrtes „socialwashing“.
  • Verbesserung der Datenverfügbarkeit: Es sollten Anstrengungen unternommen werden, um die Verfügbarkeit nachhaltigkeitsbezogener Daten (über Zertifizierungen durch Dritte hinaus) zu verbessern, beispielsweise durch die Schaffung von Plattformen oder Datenbanken, die vertrauenswürdige Nachhaltigkeitsinformationen für Marken und Produkte zusammenstellen.

Teil 3:

Nachhaltigkeitsinformationen effektiv kommunizieren

Dieses Kapitel befasst sich mit der effektiven Kommunikation und Darstellung von Nachhaltigkeitsinformationen im Online-Handel. Es beleuchtet einerseits die Notwendigkeit einer klaren und glaubwürdigen Kommunikation, damit Verbraucher:innen nachhaltige Konsumentscheidungen treffen können. Andererseits werden aktuelle Herausforderungen skizziert, mit denen Online-Händler in der Umsetzung konfrontiert sind. Im ersten Teil des Kapitels wird auf Basis eines repräsentativen Experiments mit 2.024 Personen dargestellt, welche Ansätze der Kommunikation von Nachhaltigkeitsinformationen nachhaltige Käufe am stärksten fördern. Auch wird gezeigt, wie sich diese auf die wahrgenommene Glaubwürdigkeit und Informiertheit auswirken. Im zweiten Teil des Kapitels werden praktische und technische Anregungen zur Umsetzung der Ansätze vorgestellt. Abschließend werden grundsätzlichere Herausforderungen und rechtliche Rahmenbedingungen skizziert und Bedarfe für die Weiterentwicklung von Nachhaltigkeitskommunikation abgeleitet, um einen zuverlässigen und standardisierten Rahmen für die Nachhaltigkeitskommunikation zu schaffen. Am Ende des Kapitels findet sich eine tabellarische Übersicht zu verschiedenen Möglichkeiten, Nachhaltigkeitsinformationen im Online-Handel einzubinden.

Wichtigste Ergebnisse:

  • Es gibt eine Vielzahl von Ansätze, um Verbraucher:innen beim Online-Shopping zu informieren, sie bei der Auswahl und dem Vergleich von Produkte zu unterstützen und sie zu mehr nachhaltigen Käufen zu motivieren – beispielsweise Siegel, Symbole, Filter und farbliche Hervorhebungen.

  • Verbraucher:innen haben in Bezug auf Nachhaltigkeitsinformationen sowohl mit der Anzahl der Informationen (Informationsflut) als auch mit unzuverlässigen Werbeaussagen und Kennzeichnungen (Greenwashing) zu kämpfen, daher besteht ein Bedarf an vereinfachten und zuverlässigen Informationen.

  • Die glaubwürdige Kommunikation von Nachhaltigkeitsinformationen ist für Online-Händler zwar mit Aufwänden verbunden, aber gleichzeitig von wachsender Bedeutung, um Vertrauen aufzubauen, die Kundenbindung zu erhöhen, rechtliche Anforderungen zu erfüllen und auf die wachsende Nachfrage der Verbraucher:innen nach nachhaltigen Produkten zu reagieren.

  • In einem Online-Experiment wurde die Wirksamkeit (1) eines Nachhaltigkeitsscores für Kleidung und (2) von Produktempfehlungen zur Förderung nachhaltiger Kaufentscheidungen untersucht. Beide Wege werden als sehr effektiv eingeschätzt. Im Rahmen des Experiments wurden unterschiedliche Varianten getestet und unterschiedliche Zielgruppen in den Blick genommen, um die Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit und das wahrgenommene Wissen der Verbraucher:innen zu erforschen.

  • Die Kennzeichnung von T-Shirts mit einem Textil-Score und einer klickbaren Legende erhöhte die Kaufabsicht für nachhaltige Produkte deutlich, wobei insbesondere die Gruppe, die auf die Legende klickte, mit 94 % nachhaltiger Kaufentscheidung hervorstach. Insgesamt zeigt sich, dass ein Textil-Score mit Legende Menschen dazu motiviert, häufiger nachhaltige Produkte zu wählen.

  • Produktempfehlungen, insbesondere wenn sie mit Umweltsiegeln kombiniert sind, haben ebenfalls einen starken Einfluss auf die Kaufentscheidungen, wobei grün hervorgehobene Empfehlungen mit einem Hinweis auf nachhaltige Alternativen besonders effektiv sind und als glaubwürdiger wahrgenommen werden.

  • Nachhaltigkeitsbewertungen in Form von Scores gibt es bereits für den Textilsektor, sie bewerten jedoch nur die Hersteller, da es mit der aktuellen Datenlage (noch) nicht möglich ist, Aussagen auf Produktebene zu treffen. Zudem beziehen sie sich auf unterschiedliche Dimensionen der Nachhaltigkeit. Ein vereinheitlichter und umfassender Textil-Score wäre sehr wünschenswert, würde aber einen hohen Entwicklungsaufwand erfordern.

  • Produktempfehlungen lassen sich bereits einsetzen. Technisch werden diese durch sogenannte Recommender Systems (RS) generiert, also Algorithmen, die basierend auf Daten Empfehlungen vorschlagen. Empfehlungssysteme werden häufig in zwei Weisen umgesetzt: Als Collaborative Filtering (kundenbasierte Empfehlung) und als Content-based Filtering (produktbasierte Empfehlungen).

  • In der Praxis stehen Online-Händler vor einer Reihe von Herausforderungen, weshalb sie oft nicht die volle Bandbreite verfügbarer Kommunikationsansätze für nachhaltigen Konsum nutzen. Gründe können im gewinnmaximierenden Geschäftsmodell liegen oder der Befürchtung, zu viele Nachhaltigkeitsinformationen könnten Widerstand oder Scham auslösen. Zusätzlich zu unternehmensbezogenen Aspekten erschweren neue EU-rechtliche Rahmenbedingungen die umfassende Kommunikation von produktbezogenen Nachhaltigkeitsinformationen.

Handlungsempfehlungen

  • Zur Förderung von nachhaltigem Online-Konsum empfiehlt sich ein mehrstufiges Kennzeichnungssystem, beispielsweise ein Nachhaltigkeits-Score mit Legende. Weiterhin bietet sich die Nutzung von Produktempfehlungen an, insbesondere in Verbindung mit Umweltzeichen. Diese erhöhen die Glaubwürdigkeit sowie die Wahrscheinlichkeit, dass sich Verbraucher:innen für nachhaltige Alternativen entscheiden.

  • Zur Entwicklung eines umfassenden Nachhaltigkeits-Scores ist die Zusammenarbeit mit europäischen Initiativen wichtig. Hier sollten die Herausforderungen in Bezug auf Daten, Gewichtung der Dimensionen und visuelle Darstellung angegangen werden.
  • Zur Etablierung von effektiven Kommunikationsstrategien für nachhaltige Produkte müssen Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsziele mit ihren Geschäftsstrategien in Einklang bringen.
  • Es ist ein klarer und verbindlicher Rechtsrahmen zu entwickeln, der irreführende Umweltaussagen verhindert und eine mehrstufige Produktkennzeichnung fördert.